Quelle: Tarantel Nr. 84, März I/2019 (Zeitschrift der Ökologischen Plattform)

Die gesellschaftlichen Widersprüche nehmen enorm zu. Lösungen werden nicht nur in Parlamenten, sondern vor allem in linken sozialen Bewegungen diskutiert. Mit politischen Aktionen erzeugen Bewegungen öffentliche Aufmerksamkeit und verleihen Forderungen Nachdruck. Dies setzt nicht nur Regierende und Konzerne unter Druck, sondern auch uns als linke und sich als bewegungsnah verstehende Partei. Nutzen wir den Druck, um DIE LINKE inhaltlich und strategisch weiter – zu entwickeln. Davon würden beide Seiten – DIE LINKE als Partei und die Klimabewegung – profitieren. Die Klimabewegung sorgt gerade für Furore. Zwar sind ihre Positionen weder einheitlich, noch endgültig ausgearbeitet, Klimagerechtigkeit aber ist wichtig genug, um inhaltliche Unterschiede zu überwinden. Das stärkt den Kampf, dem wir uns anschließen sollten. Die Klimabewegung wächst rasant, wird politischer und gewinnt zunehmend an Einfluss. Auch deswegen ist sie zunehmender Repression ausgesetzt, ihre Forderungen stellen Gerechtigkeit in den Vordergrund, was auch Profite einflussreicher Konzerne gefährdet. Aber genau das macht sie zu einem natürlichen Bündnispartner. Das ist leider noch nicht überall angekommen. Zwei unterschiedliche Ereignisse belegen dies: In NRW wurde nach einer Besetzung eines Kohlebaggers sofort das neue Polizeigesetz – inzwischen von vielen Aktiven zu „Lex Hambi“ umgetauft – angewendet und die Aktiven wurden aufgrund ihrer Personalverweigerung mehrere Tage in Gewahrsam gehalten. Die LINKE in NRW solidarisierte sich umgehend und startete eine tolle Kampagne. Anders in Brandenburg. Dort besetzen einige Tage zuvor Aktive von Ende Gelände, der IL (Interventionistische Linke) und Robin Wood – ich bin im Bundesvorstand von Robin Wood  einen Kohlebagger und verweigerten die Abgabe ihrer Personalien. Anschließend wurden sie einige Tage in Gewahrsam genommen, drei Besetzer*innen befanden sich am 23.2.2019 immer noch in Gewahrsam. Anstatt sich zu solidarisieren, wurde die Aktion durch DIE LINKE Brandenburg als destruktiv kritisiert. Kein hörbares Wort der Entrüstung über das Vorgehen der Polizei! Das hat unserem Ruf in der Klimabewegung enorm geschadet. Nach einer Aktion vor dem Büro der LINKEN Brandenburg ruderten die Genoss*innen zurück und relativierten ihre Position. Nichtsdestotrotz zeigt es, wie weit wir noch davon entfernt sind, von der Klimabewegung als verlässliche bzw. IHRE parlamentarische Stimme wahrgenommen zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir unser klima- und grundrechtspolitisches Profil schärfen und sollten einige prominente Positionen der Klimabewegung in unser Programm übernehmen. Das „Lex Hambi“ aus NRW – speziell die Möglichkeit Menschen aufgrund von sogenannter Gefahrenabwehr (!) mehrere Tage in Gewahrsam zu behalten – zeigt, dass sich die Polizeiverschärfungen gegen politisch aktive und unbequeme Menschen richtet. Die Sicherheitsorgane sind mit weitreichenden juristischen Mitteln ausgerüstet. Aus meiner Sicht müssen wir folgende Positionen übernehmen bzw. innerhalb der Partei stärken, um gemeinsam mit außerparlamentarischen Initiativen die Repression und Kriminalisierung zurückzudrängen: 

Solidarität vor inhaltlichen und strategischen Differenzen

Bei Repression gegen Aktivist*innen der Klimabewegung – wie auch bei Repression gegen anti faschistische Initiativen und Proteste, gegen antimilitärische Bündnisse, usw. – sind wir bedingungslos solidarisch. Inhaltliche und strategische Unterschiede werden akzeptiert und in entsprechenden Rahmen diskutiert. Sie stehen Solidarität nie im Wege!

Ablehnung jeglicher Erweiterung polizeilicher Befugnisse

Wir lehnen jegliche Erweiterung polizeilicher Befugnisse als Strategie der Protestbekämpfung ab. Mit den aktuellen Polizeigesetzen wird die Sicherung des Status quo zunehmend militarisiert. Sie sind ein aggressiver staatlicher Angriff auf unsere Demokratie und Grundrechte. Wir begrüßen, dass DIE LINKE in Thüringen bisher keine Polizeiverschärfungen vor genommen und nach dem NSU-Skandal als bisher einziges Bundesland auf die Nutzung von V-Leuten verzichtet. Wir fordern DIE LINKE in Brandenburg auf, zumindest Verschärfungen ihrer Polizeigesetze zu verhindern.

Polizei und Justiz sind bei Protestbekämpfung auffällig aktiv

Eine pauschale personelle, finanzielle und materielle Aufstockung der Polizei und Justiz lehnen wir ab. Zu sehr agierten beide als Instrument zur Protestbekämpfung, zu sehr werden rechtsextreme Netzwerke und Einstellungen innerhalb der Polizei relativiert und zu sehr leiden politisch Aktive unter Repression durch Polizei und Justiz. Wieso schaffen es Polizei und Justiz, trotz angeblichen Personalmangels so stark auf die Bekämpfung der Klimabewegung zu fokussieren? Hier braucht es eine Analyse und Umstrukturierung der Sicherheitsbehörden und Justiz. Und eine Stelle, die bei Bedarf neutral gegen die Polizei ermittelt. Wir wollen eine Polizei und eine Justiz, die die Sicherheit der Menschen garantiert, Prävention in den Vordergrund stellt, gute Arbeitsbedingungen bietet und deren Auf treten und Aufrüstung verhältnismäßig sind. Wir stellen uns gegen jede Militarisierung der Polizei und Instrumentalisierung der Justiz. Solidarität mit der Klimabewegung fällt leichter, wenn inhaltliche Anknüpfungspunkte und Überschneidungen vorliegen. Die Klimabewegung ist bunt, doch immer mehr Akteure entwickeln ein antikapitalistisches Profil. Wir sollten hier ansetzen und in solidarischen Austausch kommen. Wenn wir, DIE LINKE, die Partei des sozial-ökologischen Umbaus werden wollen, sollten wir die Parolen der Klimabewegung ernst nehmen und in unser Wahlprogramm übersetzen – und umgekehrt, dafür sorgen, dass die Klimabewegung soziale Aspekte in ihre Positionen integriert und sozialistische Position einnimmt.

Sofortiger Kohleausstieg ist nicht nur notwendig, sondern wäre nur ein erster Schritt

Laut Kohlekommission soll in Deutschland bis 2038 Kohle verstromt werden dürfen. Dabei ist Deutschland Exporteur von Strom. Die Kohlekommission sichert den Konzernen ihre Profite. Wenn wir die ohnehin wenig ambitionierten Pariser Klimaziele erreichen wollen, braucht es nicht nur die CO2 -Einsparungen durch einen sofortigen Kohleausstieg, sondern sofortige CO2 -Einsparungen in weiteren Bereichen wie Verkehr, Landwirtschaft usw. Die aktuelle Klimapolitik ist ein Verbrechen an zukünftigen Generationen, die die Folgen ausbaden bzw. aushalten müssen. Zudem werden andere Aspekte wie Artensterben aus geblendet. Um die Folgen der aktuellen (Wirtschafts-) Politik einzudämmen, brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Umbau.

Nennen wir das Kind beim Namen: Es braucht eine sozial-ökologische Revolution

Um notwendige Klimaziele zu erreichen, das Arten – sterben zu beenden und um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, müssen Gesellschaft und Wirtschaft vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Wirtschaft hat die Versorgung Aller und nicht die Profite Weniger zu garantieren. Es braucht ein neues Verständnis von Wohlstand. Ein kleiner, aber wachsender Teil der Weltbevölkerung konsumiert auf Kosten anderer und der Zukunft. Das führt jedoch nicht zwangsläufig zu Glück und Wohlbefinden. Wohlstand müssen wir neu verstehen – mehr Freizeit, mehr Selbstverwirklichung, mehr Gesundheit, eine hervorragende öffentliche Daseinsvorsorge usw. Haben wir den Mut zu diskutieren, wo unsere Wirtschaft – oder anders gesagt: wo die Ausbeutung der Natur und von Menschenschrumpfen muss und wie wir zukunftsfähigen Wohlstand für ALLE schaffen.

Es gibt keine Arbeitsplätze auf einem toten Planeten

Arbeitsplätze sind das bekannteste Argument zur Verteidigung des Status quo. Die Zahlen werden je nach politischer Lage hochgeschraubt. Wie genau diese entstehen, wird selten hinterfragt. Zudem wird zu wenig diskutiert, wie viele Arbeitsplätze und wie viel Wohlstand der Klimawandel vernichtet. Wir brauchen ein neues Verhältnis zu Arbeit – und ihrer Verteilung. Die Menschen sollen nur so viel (lohn-) arbeiten müssen, wie gesellschaftlich notwendig ist und die Arbeit muss gerecht verteilt werden. Es braucht eine Entkoppelung von Arbeit, Wohlstand und gesellschaftlicher Teilhabe. Auf einem toten Planeten sind die Fachkräfte nicht arbeitslos, sondern tot! Die Klimabewegung verteidigt unsere Lebensgrundlage – wir sollten mit ihnen für eine sozial-ökologische Revolution kämpfen.

Nichts ist so teuer wie die aktuelle Politik

Das zweite beliebte Argument neben Arbeitsplätzen lautet: zu teuer! Als Kommunalpolitiker streite ich für flächendeckenden und ticketfreien Nahverkehr. Diese Forderung lösen außerhalb von Wahlkampfzeiten bei allen anderen Parteien Kopfschütteln aus, danach folgt der Verweis auf den Haushaltsplan, der angeblich keine Spielräume zulässt. Wir sollten uns den Klimawandel nicht als Sachzwang verkaufen lassen! Nichts ist so teuer wie die aktuelle (Verkehrs-) Politik. Die Kosten aber werden kaschiert, weil sie entweder in die Zukunft, in den globalen Süden, in andere Bereiche oder auf die unteren Klassen ausgelagert werden. Beispiel: Menschen mit geringen Einkommen leben an viel befahrenen Straßen und haben die Folgen der Verkehrspolitik zu tragen. Diese Analyse können wir auf viele weitere Bereiche übertragen – sowohl auf Bundes- als auch kommunalpolitischer Ebene.

Technische Innovationen nur fürs Allgemeinwohl

Mit technischen Innovationen soll die Menschheit Kontrolle über die Auswirkungen des Klimawandels gewinnen. „Geoengineering“ soll den Klimawandel technisch lösen oder abschwächen. Die Ideen reichen von Einlagerung von CO2 bis zur Entsorgung auf dem Mars. Absurd, aber diese Strategie ist vor allem bei Menschen beliebt, die nichts bis wenig ändern wollen. Daher sollten wir solche Positionen ablehnen. Technische Innovation ist begrüßenswert, wenn sie im Dienst des Allgemeinwohls steht – das heißt auch: Wir lehnen einen „grünen“ Kapitalismus ab. Einsparungen von CO2 und Ressourcen, die durch technische Innovationen bisher erreicht wurden, wurden durch die Fokussierung auf Wachstum negiert. Kurz: Bisher beschleunigt technische Innovation in Kombination mit Wirtschaftswachstum die Zerstörung unserer Lebensgrundlage! Auch „grüner“ Kapitalismus führt in die Barbarei!

Sexistische Diskussionskultur entlarven

Als Schlecker geschlossen wurde, hatte die Politik eine einfache Lösung: Die „Schleckerfrauen“ sollten zu Erzieher*innen und Pflege r*innen umgeschult werden. Bei Frauen scheint die Berufswahlfreiheit nicht so wichtig und ohnehin durch das Geschlecht vorbestimmt zu sein! Umso wichtiger scheint die Berufs wahlfreiheit beim männlichen Facharbeitern zu sein?! Wieso übertragen dieselben Politiker*innen ihre Forderungen gegenüber der „Schleckerfrauen“ nicht auf den Strukturwandel? Keine Frage, wir sollten dies auch ablehnen. Die Berufswahlfreiheit ist ein wichtiges Element einer freien Gesellschaft und sollte auch nicht beim Facharbeiter relativiert werden. Die aktuelle Diskussion zeigt aber, wie verlogen die Diskussion um die Zukunft der Facharbeiter ist und wie sehr wir uns um die Aufwertung sozialer und pflegerischer Berufe einsetzen sollten. Und um die Schaffung echter beruflicher Perspektiven für alle Menschen!

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